Radiertechnik

Die Radiertechnik ist eine grafische Vervielfältigungstechnik, die das Ziel hat, ein Bildmotiv möglichst vielen Zeitgenossen (als Käufern oder als Betrachtern) zukommen zu lassen.
In früheren Zeiten war der Maler der eigentlich schöpferische Künstler, dessen bedeutendes Einzelstück bei Publikumsinteresse aufwendig in eine Druckform (Holzschnitt, Stich, Radierung, Lithografie) übertragen wurde. Der Kupferstecher war der akribisch arbeitende Handwerker, der sich sklavisch an die Vorlage halten mußte, z.Bsp. bei der Wiedergabe eines Portraits.

Als der drucktechnische Fortschritt zunehmend effizientere Reproduktionsmöglichkeiten hervorbrachte, wurden die alten handwerklichen Techniken (z.B. Holzschnitt, Kupferstich, Lithografie, Radierung,..) ausgemustert.
Wenn sich fortan jemand in diesen Medien künstlerisch auszudrücken suchte, gewannen die Ergebnisse eine um so grössere Eigenwertigkeit, je selbstbestimmter das Sujet und je origineller die Umsetzung
war. Mit dem Anspruch einer exklusiven kreativen Leistung korespondiert jetzt auch eine möglichst niedrige Auflage.

Radieren (lat. radere, Radix ist die Wurzel) heißt herausziehen, schaben, kratzen und als Radierung bezeichnet man den Vorgang bei der Herstellung einer Druckplatte, wo mittels Säureeinwirkung Metallionen aus dem Metallblech „herausgelöst“ werden.

Als Radierung ist aber auch das fertige Druckergebnis gemeint
(auch Abzug, Blatt, Druck, ...).


Der Kupferstecher erzeugt das Bildrelief indem er mit dem Stichel einen Metallspan nach dem anderen aus der Kupferplatte drückt (treibt), ein mühsames und sehr zeitaufwändiges Geschäft. Die Radiertechnik ist weniger kräftezehrend und ermöglicht eine leichtere Nadelführung beim Kratzen des Motivs in die Lackbeschichtung.
Ein weiterer Vorteil besteht darin, daß bei dieser Zeichnung in den Lack
Korrekturen leicht vorgenommen werden können: Abdecken mit Fettkreide und erneutes Zeichnen mit der Radiernadel.

Das Druckverfahren ist ein Tiefdruck (wie auch beim Kupferstich), d.h. die vertieften Strukturen der Druckplatte nehmen die Farbe auf und geben sie beim Druck auf das Papier wieder ab.
(Im Gegensatz dazu ist z.Bsp. der Holzschnitt ein Hochdruck; hier werden die erhöhten Partien des Druckstockes mit der Farbwalze eingefärbt und diese drucken dann auch)

Herstellung der Druckplatte:

Eine Metallplatte (Zink, Kupfer, Eisen, ...) wird auf der Vorderseite mit einem säurefesten Lack (diesen nennt man auch Ätzgrund, bestehend aus Asphalt, Wachs, Harz, Ruß, ...) eingestrichen und die Rückseite wird gleichfalls, allerdings mit einem anderen Lack versiegelt.

In den getrockneten, vergleichsweise weichen Lack der Vorderseite wird mit einer Stahlnadel das Motiv (ohne Kraftaufwand) eingezeichnet.
Anschließend wird die Platte in ein Säurebad gelegt.
An den Stellen, wo das Metall für die Säure zugänglich ist, also dort wo ich zeichnerisch den Lack weggekratzt habe, werden nun Metallpartikel herausgeätzt.

Je länger die Säure angreifen kann, desto tiefer ätzt sie ins Metall.

Wenn ich nach dem Ätzen bestimmte Partien meiner Zeichnung mit einem säurefesten Lack selektiv abdecke und die Platte erneut ins Säurebad lege, ergibt sich Folgendes: An den abgedeckten Linien ist die Ätzung beendet, an den nach wie vor offenen Linien greift die Säure weiterhin das Metall an und ätzt noch tiefere Strukturen hinein. Diese Technik nennt man Stufenätzung und der Vorgang kann mehrfach wiederholt werden.

Nach dem Auflösen der Lackschichten zeichnet sich das Bild als Relief von vertieften Linien ab, die im Falle einer Stufenätzung unterschiedliche Intensität aufweisen.
(Die Vertiefungen der Platte halten bei der Einfärbung die Farbe und wenn sie sehr ausgeprägt sind geben sie beim Druck entsprechend mehr Farbe an das Papier ab.)

Meist folgt jetzt noch eine umfangreiche Nachbearbeitung der Platte. Andere Radiertechniken sind Kaltnadel, Aquatinta, Pinselätzung, Mezzotinto (Schabkunst), vernis mou (Weichgrund), Aussprengtechnik, Heliogravüre, Siebdruckbeschichtung usw.
Alle Techniken sind miteinander kombinierbar (zu einer Mischtechnik).

Druck

Die Druckplatte wird mit einer pastösen Farbe (auf Leinölbasis) eingestrichen und oberflächlich mit altem Zeitungspapier wieder ausgewischt (ausgeputzt), so daß die Farbe nur noch in den Vertiefungen zurückbleibt. Das Putzen bewirkt eine Abnutzung der Platte, indem die anfangs ausgeprägten Grade des geätzten Bildreliefs rundgescheuert werden.

Die eingefärbte Platte wird auf den Drucktisch der Radierpresse gelegt.

Auf die Platte wird jetzt ein vorher in Wasser eingeweichtes Büttenpapier gelegt, - möglichst mittig - und anschließend darüber der Druckfilz.

Alles zusammen läuft zwischen den beiden Walzen der Radierpresse unter hohem Druck hindurch.
(Der Vorgang ähnelt demjenigen bei einer Wäschemangel. Entsprechend kann man letztere mit geeigneten Stahlwalzen versehen zu einer Radierpresse umfunktionieren.)
Der Druckfilz gewährleistet einen gleichmäßigen Wasserabfluß aus dem angefeuchteten Papier und er reduziert die Druckhärte und damit die verschleissende Wirkung der Stahlwalzen auf die Druckplatte.

Das auf die Radierplatte gepresste Papier nimmt insbesondere die Farbe aus den Vertiefungen auf. Nach dem Druckvorgang wird es vorsichtig angehoben und zum Trocknen abgelegt.

Für den nächsten Druck muss die Platte erneut von Hand eingefärbt und ausputzt werden.

 

zurück zur Startseite